Verlagerung von Entscheidungen des Stadtrats der Stadt Jena auf einen gesondert gebildeten Sonderausschuss wegen des Coronavirus

Der Stadtrat der Stadt Jena hat am 23. März 2020 per Umlaufverfahren eine Änderung der Geschäftsordnung beschlossen, um einen Sonderausschuss zu bilden. Demnach werden in dieser "außerordentlichen Situation" Entscheidungen vom Stadtrat auf den Sonderausschuss übertragen, soweit nicht der Oberbürgermeister zuständig ist oder eine Übertragung gemäß § 26 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) unzulässig ist. Beschlüsse des Gemeinde- oder Stadtrates sind gemäß § 36 Abs.1 Satz 1 ThürKO in Sitzungen zu fassen, darüber hinaus sind für die Beschlussfähigkeit eine ordnungsgemäße Ladung sowie die Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder erforderlich. Ferner wird gemäß § 39 Abs. 1 Satz 4 ThürKO über Beschlüsse offen durch die anwesenden Mitglieder abgestimmt, außerdem müssen Ort, Zeit und Tagesordnung der Sitzung gemäß § 35 Abs. 6 Satz 1 ThürKO mindestens vier Tage, in dringenden Fällen mindestens zwei Tage vor der Sitzung veröffentlicht werden. Ebenso muss nach einer Beschlussfassung eine Veröffentlichung erfolgen (vergleiche § 40 Abs. 2 Satz 1 ThürKO). Hierbei ist dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzung nach § 40 Abs. 1 ThürKO zu genügen. Eine Beschlussfassung mittels Umlaufverfahren sieht die Thüringer Kommunalordnung nicht vor.
Die Arbeit des Sonderausschusses endet nach drei Monaten automatisch, sofern der Stadtrat nicht über eine Fortdauer der "außerordentlichen Situation" entscheidet. Darüber hinaus kann auf Antrag eines Mitgliedes des Sonderausschusses mit einfacher Mehrheit das Ende der "außerordentlichen Situation" beschlossen werden.
Laut Thüringer Verordnung über erforderliche Maßnahmen der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 26. März 2020 ist es, unter Berücksichtigung der Hygienevorschriften erlaubt, Stadt- oder Gemeinderats- sowie Kreistagssitzungen abzuhalten, sofern eine Angelegenheit nicht ohne Nachteil für die Gemeinde aufgeschoben werden kann. Auch hier muss dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzung (§ 40 Abs. 1 Satz 1 ThürKO) entsprochen werden.
Der Oberbürgermeister der Stadt Jena ist als untere staatliche Gesundheitsbehörde zuständig für die Umsetzung der genannten Verordnung der Landesregierung und kann in dieser Funktion weitere einschränkende Maßnahmen erlassen. Gleichzeitig darf ausschließlich der Oberbürgermeister zu Sitzungen des Stadtrates einladen (vergleiche § 35 ThürKO und Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 7/15 in Drucksache 7/136). Sitzungen des Stadtrats Jena lehnt der Oberbürgermeister nach unserer Kenntnis derzeit ab und begründet dies damit, dass die untere staatliche Gesundheitsbehörde eine Ansammlung von Personen verbiete. Die Aufgaben der unteren Gesundheitsbehörde erfüllt die Stadt Jena im übertragenen Wirkungskreis. Die Stadt Jena unterliegt der Rechtsaufsicht des Landes.

DS 7/1379