Überprüfung personenbezogener Daten beim Amt für Verfassungsschutz in Thüringen

SaschaBilayMündliche Anfragen

Auszug aus dem Protokoll der Landtagssitzung vom 09.06.22, S. 90 - 94.

Abgeordneter Bilay, DIE LINKE:
Überprüfung personenbezogener Daten beim Amt für Verfassungsschutz in Thüringen
Im Jahr 2019 kontrollierte die „Kommission zur Überprüfung der von dem Amt für Verfassungsschutz Thüringen gespeicherten Personendaten“ die rechtliche Zulässigkeit erhobener Daten, deren Speicherung und bislang nicht erfolgte Löschungen. Als Arbeitsgrundlage wurde ein vom Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellter Datenklon mit Thüringer Daten zum Stichtag 8. März 2019 verwendet. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass 91 Datensätze zu Personen ohne erforderliche Grundlage gespeichert wurden. Proportional zur Anzahl der Datensätze in den Phänomenbereichen betrafen die meisten grundlosen Speicherungen den Bereich links (30 Datensätze), zu deren Löschung die Kommission aufforderte. Am 26. April 2022 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung auch zu den rechtlichen Grundlagen der Datenspeicherung im Bereich des Verfassungsschutzrechts.
Ich frage die Landesregierung:
1. Was waren die Gründe, weshalb in 30 Fällen bei Datensätzen im Bereich links von der Kommission die Löschung angeraten wurde (zum Beispiel Rechtswidrigkeit der Speicherung, Entfall der Erforderlichkeit im Rahmen der Aufgabenerfüllung und andere; bitte nach Häufigkeit darstellen)?
2. Wurden alle 30 Datensätze im Bereich Links wie von der Kommission empfohlen gelöscht, wenn ja, wann und wenn nein, in wie vielen Fällen wurde dies warum nicht umgesetzt?
3. Erfolgte in den genannten Fällen der 30 Datensätze im Bereich links eine Information an die Betroffenen und wenn nein, warum unterblieb diese?
4. Standen der Kommission auf Basis des Datenklons des Bundesamts für Verfassungsschutz vom März 2019 alle beim Amt für Verfassungsschutz in Thüringen in elektronischer und in Papierform gespeicherten personenbezogenen Daten im Bereich links für ihre Überprüfung zur Verfügung und wenn nein, welche Art von Daten war warum kein Bestandteil?

Vizepräsidentin Marx:
Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Inneres und Kommunales, Herr Staatssekretär Götze.

Götze, Staatssekretär:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bilay beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Zunächst die Antwort zu Frage 1: Die Erstspeicherungen wurden von der Kommission in allen Fällen als zunächst rechtmäßig bewertet. Jedoch wurde in allen Fällen die gesetzliche Speicherfrist überschritten. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 Thüringer Verfassungsschutzgesetz prüft das AfV spätestens fünf Jahre nach dem letzten Erkenntnisdatum, ob die Speicherungen zu löschen sind. Eine Speicherung bis zu zehn Jahren oder sogar 15 Jahre nach dem letzten Erkenntnisdatum ist lediglich unter den engen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 2 Thüringer Verfassungsschutzgesetz zulässig. Die Kommission hat länger als fünf Jahre andauernde Speicherungen nur in den Fällen zugelassen, in denen Quantität und Qualität der Erkenntnisse dies rechtfertigen. Hinsichtlich der Qualität wurde eine länger als fünf Jahre andauernde Speicherung dann als verhältnismäßig angesehen, wenn mehrere Erkenntnisse für eine Speicherverlängerung vorlagen. War dies nicht der Fall, musste qualitativ eine schwerwiegende Straftat vorliegen, die zu einer Verurteilung führte, um die Speicherung als rechtmäßig zu bewerten. Von den 30 beanstandeten Fällen wurden in sieben Fällen durch das AfV Verlängerungen der Speicherungen vorgenommen, die aus Sicht der Kommission nicht gerechtfertigt waren. Aus diesem Grund wurde das vorherige Erkenntnisdatum für die Speicherungen betrachtet. Dies war in den sieben Fällen älter als fünf Jahre. Da in allen Fällen nur eine bzw. wenige Erkenntnisse vorlagen, sah die Kommission eine bis zu zehnjährige Speicherung nicht als verhältnismäßig an, sodass die Löschung empfohlen wurde. In den übrigen 23 Fällen lag die Verlängerung der Speicherung länger als fünf Jahre zurück. Da auch bei diesen Speicherungen nur eine bzw. wenige Erkenntnisse vorlagen, wurde ebenfalls eine längere Speicherung als unverhältnismäßig betrachtet.
Antwort zu Frage 2: Alle nach den oben genannten Ausführungen festgelegten Datensätze wurden im Nachgang zur Prüfung gelöscht.
Antwort zu Frage 3: Nach § 15 Abs. 2 Thüringer Verfassungsschutzgesetz sind als unzulässig erkannte Speicherungen zu löschen. Eine Information der betroffenen Personen über die Löschung ist in diesem Zusammenhang gesetzlich nicht vorgesehen und auch nicht erfolgt.
Antwort zu Frage 4: Der Datenprüfungskommission standen im Rahmen ihrer Prüfung alle Daten des AfV zur Verfügung, welche im Landesdatenklon zu dem festgelegten Datum gespeichert waren. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsidentin Marx:
Gibt es Nachfragen? Herr Bilay, bitte. Ich darf die Auszählenden bitten, ihrem wichtigen Amt einen etwas leiseren Ton beizumessen.

Abgeordneter Bilay, DIE LINKE:
Deswegen hätte ich jetzt zwei inhaltliche Nachfragen, wenn Frau Präsidentin es erlaubt, und eine akustische, da ich die Antwort nicht gehört habe.

Vizepräsidentin Marx:
Ja, die lasse ich zu.

Abgeordneter Bilay, DIE LINKE:
Also, die akustische, was ich jetzt nicht gehört habe: Auf die Frage 2 war Ihre Antwort: Es wurden alle 30 Datensätze gelöscht?

Götze, Staatssekretär:
Ja.

Abgeordneter Bilay, DIE LINKE:
Okay. Dann hätte ich jetzt zwei Nachfragen: Sie haben geantwortet, dass die Betroffenen – also in Frage 3 – nicht unterrichtet wurden, weil es nicht vorgesehen ist. Trotzdem könnte man ja die Betroffenen unterrichten. Ist das im Ergebnis der heutigen Anfrage vielleicht trotzdem eine Überprüfung wert und könnte dann eine Unterrichtung erfolgen? Die zweite inhaltliche Frage wäre: Im Vergleich zu Niedersachsen, wo es ja auch ähnliche Empfehlungen gegeben hat oder vergleichbare, mit einem höheren Fallaufkommen, wurde der Bericht der Kommission in Niedersachsen öffentlich gemacht, zumindest auf die Homepage gestellt. Ist so ein Öffentlichmachen in Thüringen vorgesehen und wie wird die Antwort begründet?

Götze, Staatssekretär:
Also bislang ist eine Veröffentlichung nicht vorgesehen. Ich kann Ihnen aktuell nicht sagen, wie weit wir da in der Prüfung sind. Wir hatten das in einer Innenausschusssitzung damals, glaube ich, beraten. Ich würde Ihnen vorschlagen, dass ich in der nächsten Innenausschusssitzung den Innenausschuss zu dieser Problematik noch einmal informiere, weil mir der aktuelle Prüfstand jetzt nicht geläufig ist. Es kann sein, dass Fragen des Geheimschutzes einer Veröffentlichung entgegenstehen. Aber das möchte ich mit meinen Mitarbeitern vorher sorgfältig prüfen. Die erste Frage, die muss ich mit Nein beantworten. Die Daten wurden vollständig gelöscht. Wir haben da auch keine Informationen mehr, um welche Datensätze es sich handelt.

Abgeordneter Bilay, DIE LINKE:
Meine Frage war, ob die Betroffenen unterrichtet wurden. Da war die Aussage: Nein, weil es nicht vorgesehen ist. – Meine Frage war …

Götze, Staatssekretär:
Genau, wir werden Sie auch nicht informieren.

Vizepräsidentin Marx:
Für weitere Nachfragen erhält das Wort Frau Abgeordnete König-Preuss.

Abgeordnete König-Preuss, DIE LINKE:
Danke schön, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, wurde denn geprüft, ob und – wenn ja – wie viele von den dreißig, deren Datensätze gelöscht wurden, die unrechtmäßig gespeichert waren, vorab eine sogenannte Abfrage an den Verfassungsschutz gestellt hatten, ob zu ihnen Informationen gespeichert sind? Wenn ja: Wie wurde diese Anfragen beschieden?

Götze, Staatssekretär:
Eine derartige Prüfung habe ich nicht in Erinnerung. Frau König-Preuss, ich würde diese Frage aber mitnehmen. Ich hatte Herrn Abgeordneten Bilay schon gesagt, dass ich zur Frage der Veröffentlichung des Gutachtens dem Innenausschuss berichten werde. Ich würde diese Frage selbstverständlich mitnehmen und, soweit es geht und uns Informationen dazu noch vorliegen, den Innenausschuss dazu informieren.

Vizepräsidentin Marx:
Zweite Nachfrage oder war es das?

Abgeordnete König-Preuss, DIE LINKE:
Na ja, die Frage ist natürlich, die sich daraus dann ergibt: Wenn das sozusagen gar nicht geprüft wurde, aber Personen sozusagen Akteneinsicht beantragt hatten, wie diese Personen dann jetzt überhaupt noch agieren können, da sie ja nicht informiert wurden – Daten wurden erfasst, die unrechtmäßig gespeichert wurden, also zumindest zu lange gespeichert wurden –, die aber jetzt überhaupt nicht mehr die Möglichkeit haben, Informationen zu bekommen, wenn diese Inhalte gelöscht wurden. Also, da ist natürlich die Frage, wenn das vorher nicht überprüft wurde, was da überhaupt jetzt noch möglich ist.

Götze, Staatssekretär:
Wir bewegen uns da auf einem relativ abstrakten Niveau. Wir wissen nicht, ob konkrete Anfragen gestellt wurden. Ich, wie gesagt, will das gern noch einmal recherchieren lassen. Zur Frage der Erstspeicherung hatte ich gesagt, dass die Kommission diese nicht beanstandet hat. Es ging wirklich nur um die Fristüberschreitung, aber die Speicherungen selbst, die Erstspeicherungen, wurden als rechtlich korrekt bewertet.